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Rechtsprechung



LG München I, Urteil vom 19.04.2007 - Az. 7 O 3950/07

Usenet, Caching, Störerhaftung - Ein Unterlassungsanspruch wegen Urheberrechtsverletzung gegen einen Usenetprovider kommt grundsätzlich weder aufgrund Verschuldens noch aus Störerhaftung in Betracht.

TMG §§ 8 II, 9; UrhG §§ 19a, 85 Abs. 1, 97 Abs. 1 S. 1; TDG 2001 §§ 10 S. 1 Nr. 5, 11

Leitsätze:*

1. Ein Usenet-Provider, der den Zugang zu fremden Informationen vermittelt und diese für einen Zeitraum von 30 Tagen zum Zwecke der effizienteren Übermittlung an Dritte zwischenspeichert, ist als so genannter Cacher am Haftungsmaßstab des § 9 TMG zu messen.

2. Caching i.S.v. § 9 TMG bedeutet im Gegensatz zu der Zwischenspeicherung i.S.v. § 8 II TMG keine kurzzeitige, sondern lediglich eine zeitlich begrenzte Speicherung. Die Haftungsprivilegierung des Cachers greift immer dann, wenn die Zwischenspeicherung dazu dient, die Übermittlung der fremden Informationen an andere Nutzer auf deren Anfrage hin effizienter zu gestalten (hier: Speicherung für 30 Tage).

3. Ein Unterlassungsanspruch wegen Urheberrechtsverletzung gegen einen Usenetprovider kommt grundsätzlich weder aufgrund Verschuldens noch aus Störerhaftung in Betracht. Etwas anderes kann unter Umständen dann gelten, wenn der Usenet-Provider durch Werbeanpreisungen hinsichtlich der Möglichkeit eines Rechtsmissbrauchs eine eigenständige Störereigenschaft begründet.

4. Die Störerhaftung darf nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden. Ihr Umfang bestimmt sich dementsprechend nach der Zumutbarkeit. Zurzeit ist keine Filtersoftware bekannt, die es einem Usenet-Provider ermöglichen würde, die gigantischen Datenmengen des Usenets zu bewältigen. Eine händische Vorabüberprüfung des Datenverkehrs ist jedenfalls nicht zumutbar.

5. Bei der Störerhaftung müssen hinsichtlich etwaiger bestehender präventiver Prüfungspflichten die Bedeutung des Einzelfalls und der erforderliche technische und wirtschaftliche Aufwand sowie die Auswirkungen auf andere Teile des Dienstes und andere Nutzer im Verhältnis zueinander gesehen werden.

6. Der Diensteanbieter muss nicht jeden nur denkbaren Aufwand betreiben, um die Nutzung rechtswidriger Inhalte zu vermeiden. Maßnahmen zur Verhinderung des Zugriffs auf fremde Inhalte sind dann als unzumutbar anzusehen, wenn sie einen erheblichen Aufwand erfordern, ihre Wirksamkeit jedoch durch einen Zugriff auf entsprechende Informationsangebote über andere Netzverbindungen mit einem vergleichsweise geringen Aufwand umgangen werden kann.

7. Die bedingte Vorsatz auf Seiten des Usenet-Providers, jedwede Inhalte des Usenets in Gewinnerzielungsabsicht um jeden Preis weiterverbreiten zu wollen, auch wenn diese möglicherweise rechtswidrig sind, ist rechtlich nicht ausreichend, um eine absichtliche Urheberrechtsverletzung zu begründen. Darüber hinaus käme ein derartig bedingter Vorsatz nur in Betracht, wenn die Inhalte des Usenets ganz oder zum größten Teil rechtswidrig wären. In Anbetracht der gigantischen Gesamtdatenmengen reichen Einzelverstöße nicht aus.

MIR 2007, Dok. 155


Anm. der Redaktion: Ein besonderer Dank für die Mitteilung der Entscheidung gilt Herrn RA Sascha Kremer, Mönchengladbach (www.kremer-legal.com).
Download: Entscheidungsvolltext PDF


Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 23.04.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/657

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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