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Rechtsprechung



KG Berlin, Urteil vom 28.07.2006, Az. 9 U 226/05

Eine Person der Zeitgeschichte, die durch die Veröffentlichung eines Fotos aus Ihrem Privatbereich in ihrem Recht am eigenen Bild verletzt worden ist, kann nicht generell eine Verbreitung von Bildern aus ihrem privaten Alltag untersagen. Vielmehr muss das Unterlassungsgebot an die konkrete Verletzungshandlung anknüpfen.

Leitsätze: *

KUG §§ 22, 23 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2; GG Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2, Art. 2 Abs. 1

1. Eine Person der Zeitgeschichte, die durch die Veröffentlichung eines Fotos von einem Einkaufsbummel in ihrem Recht am eigenen Bild verletzt worden ist, kann nicht generell eine Verbreitung von Bildern aus ihrem privaten Alltag untersagen. Vielmehr muss das Unterlassungsgebot an die konkrete Verletzungshandlung anknüpfen.

2. Der materielle Unterlassungsanspruch bestimmt sich nach der konkreten Verletzungsform; eine gewisse Verallgemeinerung ist zwar unter dem Gesichtspunkt ausreichender Schutzgewährung zulässig, jedoch nur soweit als darin das Charakteristische des festgestellten konkreten Verletzungstatbestandes zum Ausdruck kommt. Eine abstrahierende Verallgemeinerung darf die Grenze des durch die konkrete Verletzungshandlung begründeten Unterlassungsanspruchs nicht überschreiten. Der private Alltag stellt kein Charakteristikum dar, mit der sich die Verletzungsform begrenzen ließe.

3. Eine "absolute Person der Zeitgeschichte" ist eine Person, die unabhängig von einzelnenen Ereignissen aufgrund ihres Status und ihrer Bedeutung allgemeine öffentliche Aufmerksamkeit findet bzw. deren Bildnisse allein schon der Person wegen grundsätzlich einwilligungsfrei verbreitet werden dürfen.

4. Auch eine der breiten Öffentlichkeit bekannte Person muss eine berechtigte Hoffnung auf Schutz und Achtung ihrer Privatsphäre haben, wobei hiervon grundsätzlich eine Ausnahme - im Sinne des Absprechens eines Privatspährenschutzes - zu machen ist, wenn sich die betreffende Person an Plätzen aufhält, an denen sie sich unter vielen Menschen befindet.

5. Ein generelles Verbot, Fotos aus dem privaten Alltag zu verbreiten, auch soweit sie im öffentlichen Raum aufgenommen worden sind, kommt nicht in Betracht. Zwar kann sich das Recht auf Achtung des Privatlebens im Einzelfall, auch für eine Person der Zeitgeschichte, über Orte der Abgeschiedenheit hinaus erstrecken. Dies kann aber nur nach Abwägung der konkreten Umstände des jeweiligen Sachverhalts geschehen.

6. Es ist mit der Meinungs- und Pressefreiheit vereinbar, das Recht auf Achtung des Privatlebens im Einzelfall über Orte der Abgeschiedenheit hinaus zu erstrecken. Denn es kann die freie Entfaltung der Persönlichkeit beeinträchigten, wenn ein Betroffener in alltäglichen Lebenssituationen der Medienöffentlichkeit präsentiert wird. Es kann von Prominenten nicht schlechterdings erwartet werden, sich im Privatleben zu verstecken und nur abgeschottet ungestört alltäglichen Gepflogenheiten nachgehen zu können.

7. Ein Betroffener kann nicht nur eine exakte Wiederholung der Verletzungshandlung verbieten lassen, sondern auch einem künftigen wesensgleichen Eingriff entgegen treten. Denn der negatorische Rechtschutz wäre ineffektiv, wenn er geringfügig variierte Rechtsverletzungen nicht erfassen würde.

MIR 2006, Dok. 124


vgl. hierzu auch MIR Dok. 125-2006 = KG Berlin, Urteil vom 28.07.2006 - Az. 9 U 191/05

* Leitsatz 1 ist der Leitsatz des Gerichts
Download: Entscheidungsvolltext PDF


Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 13.08.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/339

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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