Rechtsprechung
LG München I
Urteil vom 26.01.2006 - Az. 12 O 16098/05 - (Unwirksamkeit von Verfallklauseln von (Prepaid-) Handyguthaben nach Kündigung oder Zeitablauf, Entgelte für die Sperrung von Mobilfunkkarten pauschalierter Schadenersatzanspruch, §§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3, § 309 Nr. 5 lit. b) BGB)
Leitsätze (tg):
1. Zur Unwirksamkeit von AGB-Klauseln gegenüber Verbrauchern, § 13 BGB, im Zusammenhang mit Prepaid-Mobilfunkdienstleistungen.
a. Die Klausel
"Ein Guthaben, dessen Übertragung auf das Guthabenkonto mehr als 365 Tage zurückliegt, verfällt, sofern es nicht
durch eine weitere Aufladung, die binnen eines Monats nach Ablauf der 365 Tage erfolgen muss, wieder nutzbar gemacht wird."
hält einer Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 3 BGB nicht stand, da sie gegen das Äquivalenzprinzip verstößt und den Kunden
unangemessen benachteiligt. Dies muss umso mehr gelten, als die Möglichkeit der Einzahlung von Guthaben nicht der Höhe
nach beschränkt ist und somit auch der Verfall von Guthaben in der Größenordnung von mehr als 100 EUR denkbar ist.
b. Die Klausel
"Mit Beendigung des Vertrages verfällt ein etwaiges Restguthaben auf dem Guthabenkonto, es sei denn, [Anbieter] hat
den Vertrag aus nicht vom Kunden zu vertretenen Gründen gekündigt oder der Kunde hat den Vertrag aus von [Anbieter] zu
vertretenen Gründen gekündigt"
ist wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr.1 BGB unwirksam. Sie verstößt gegen das Äquivalenzprinzip und erschwert
die Kündigung, so dass der Kunde unangemessen benachteiligt wird. Denn der Kunde kann sich insoweit an einer (auch ordentlichen)
Kündigung gehindert sehen, wenn noch ein Guthaben vorhanden ist.
c. Die Klausel
"Für die Sperre wird ein Entgelt erhoben, das sich aus der jeweils aktuellen Preisliste ergibt."
ist wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 5 lit. b) BGB unwirksam. Nach der gebotenen, kundenfeindlichsten Auslegung muss
eine solche Klausel als pauschalierter Schadenersatzanspruch verstanden werden.
2. Die Einzahlung eines Guthabens stellt eine Vorleistung des Kunden dar und ist mit einem Gutschein vergleichbar.
3. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ergibt sich, dass ein Guthaben, anders als etwa ein Entgelt, dem Inhaber ohne zeitliche Begrenzung zusteht.
4. Nicht jede zeitliche Begrenzung der Gültigkeitsdauer eines Guthabens stellt eine Verletzung des Äquivalenzinteresses und eine
unangemessene Benachteiligung des Kunden dar. Vielmehr ist insoweit eine Abwägung der beiderseitigen Interessen vorzunehmen.
MIR 2006, Dok. 021
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 21.02.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/236
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
BGH, Beschluss vom 17.11.2020 - X ZR 3/19, MIR 2021, Dok. 003
Paranoid veranlagte Anwaltskollegin - Die Bezeichnung einer Anwaltskollegin als "paranoid veranlagt" und die Beschreibung ihres Verhaltens als "gezeigte paranoide Verhaltensweisen" kann rechtswidrig sein
OLG Köln, Urteil vom 13.04.2022 - 6 U 198/21, MIR 2022, Dok. 037
Keine Klarnamenpflicht bei der Nutzung eines sozialen Netzwerks in bestimmten Fällen
Bundesgerichtshof, MIR 2022, Dok. 008
Google-Ads und kennzeichenmäßige Verwendung - Schadensersatz wegen einer unberechtigter Schutzrechtsverwarnung aufgrund einer Google-Ads-Anzeige
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 10.02.2022 - 6 U 126/21, MIR 2022, Dok. 024
Scraping - Bei der Geltendmachung datenschutzrechtlicher Ansprüche (Schadenersatz, Unterlassung und Auskunft) wegen eines Scraping-Vorfalls auf einer Social-Media-Plattform ist eine Wertfestsetzung in Höhe von insgesamt EUR 6.000,00 angemessen
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 18.07.2023 - 6 W 40/23, MIR 2023, Dok. 060