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LG Coburg, Urteil vom 23.02.2006 - Az. 1 HK O 95/05

Soweit ein Verbraucher über ein bestehendes Widerrufsrecht im Sinne § 355 BGB gemäß §§ 312 c Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 1 Ziff. 10 InfoVO zu belehren ist, handelt es sich hierbei um eine Marktverhaltensregelung. Eine falsche oder unzureichende Belehrung ist damit nach § 4 Nr. 11 UWG unlauter. Zur Feststellung der Rechtsmissbräuchlichkeit einer - auch umfangreichen - Abmahntätigkeit im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG.

Leitsätze (tg):

1. Nach § 6 Nr. 2 TDG ist ein Teledienstanbieter im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 5 TDG verpflichtet, Informationen leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu halten und insbesondere Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit ihm ermöglichen, einschließlich der Adresse der elektronischen Post (E-Mail), kenntlich zu machen.

2. Die Informationspflichten im Sinne des § 6 TDG dienen dem Verbraucherschutz und der Transparenz von geschäftsmäßig erbrachten Telediensten. Sie stellen daher Marktverhaltensregeln im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG dar. Zudem ergibt sich aus dem Zweck des TDG, einheitliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen für die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten der elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste zu schaffen (§ 1 TDG), dass durch die Verletzung von § 6 TDG ein ungerechtfertigter Wettbewerbsvorteil erlangt wird.

3. Soweit ein Verbraucher über ein bestehendes Widerrufsrecht im Sinne § 355 BGB gemäß §§ 312 c Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 1 Ziff. 10 InfoVO zu belehren ist (hier auf der Online-Handelsplattform eBay), handelt es sich hierbei um eine Marktverhaltensregelung. Eine falsche oder unzureichende Belehrung ist damit nach § 4 Nr. 11 UWG unlauter.

4. Ist es zu einem Wettbewerbsverstoß gekommen, besteht die tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr. Diese ist zwar grundsätzlich widerleglich. Dies gelingt im Allgemeinen aber nur dadurch, dass der Verletzer eine bedingungslose und unwiderrufliche Unterlassungsverpflichtungserklärung unter der Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für den Fall der Zuwiderhandlung abgibt.

5. Grundsätzlich kann ein Wegfall der Wiederholungsgefahr auch aufgrund der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung gegenüber einem Gläubiger mit Wirkung gegenüber allen Unterlassungsgläubigern eintreten (Drittunterwerfung). Hierfür ist insbesondere erforderlich, dass derjenige Unterlassungsgläubiger, dem gegenüber die Unterlassungserklärung abgegeben wurde, bereit und in der Lage ist, die ihm zustehenden Sanktionsmöglichkeiten auszuschöpfen, so dass der Unterlassungsschuldner bei Zuwiderhandlungen mit Sanktionen rechnen muss und keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner Unterlassungserklärung bestehen.

6. Auch nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, mit der die Wiederholungsgefahr beseitigt wurde, kann bei erneutem identischen Wettbewerbsverstoß die Wiederholungsgefahr wieder aufleben.

7. Zur Feststellung der Rechtsmissbräuchlichkeit einer - auch umfangreichen - Abmahntätigkeit im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG reicht nicht aus, dass der Abmahnende in einer anderen Branche in gleicher Weise wie der Abgemahnte wettbewerbswidrig handelt. Rechtsmissbräuchlichkeit ist vielmehr erst dann anzunehmen, wenn die Abmahntätigkeit sich verselbständigt, d.h. in keinem vernünftigen Verhältnis zur eigentlichen Geschäftstätigkeit mehr steht und bei objektiver Betrachtung an der Verfolgung bestimmter Wettbewerbsvertsöße kein nennenswertes und wirtschaftliches Interesse außer dem Gebührenerzielungsinteresse bestehen kann.

MIR 2006, Dok. 105




Bearbeiter: Thomas Gramespacher
Online seit: 26.07.2006
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ISSN 1861-9754 (Medien Internet und Recht)